Momentan fokussiert sich die Medienberichterstattung zum Präsidentschaft-Wahlkampf in erster Linie auf die Frage, warum Trump weiterhin so populär ist und welche Chancen er eventuell hat, um im kommenden Jahr zu einer zweiten Amtszeit ins Weiße Haus einzuziehen. Natürlich sind das wichtige Aspekte, aber es lohnt auch ein Blick über den Wahltag im November hinaus zu werfen, denn Trump hat bereits signalisiert, welche Politik er umsetzen und wie er das System der Checks and Balances aushebeln will, um seine Machtposition auszubauen.
Inhaltlich wird sich sein Wahlkampf in erster Linie auf Fragen von Gesetz und Ordnung richten. Das ist wenig überraschend und spielte auch in den bisherigen zwei Wahlkämpfen eine zentrale Rolle. Aber Trump wird hier weiter gehen und verspricht einige Grenzen zu überschreiten, die bislang keine gängige Praxis waren oder aber von Gerichten als verfassungswidrig eingestuft worden sind.
An erster Stelle will Trump im Kampf gegen Kriminalität die von Bundegerichtengerichten in New York gestoppte Praxis des „Stop and Frisk“ als gängige Praxis der Polizei in den USA einsetzen. Unter „Stop und Frisk“ versteht man das willkürliche Anhalten und Durchsuchen von Menschen auf der Straße, auch wenn keine klaren Verdachtsmomente seitens der Polizei vorliegen. Diese Politik, die in New York unter Bürgermeister Bloomberg gängige Praxis war, wurde im Jahr 2013 von einem US-Bundesgericht als verfassungswidrig einkassiert, weil es die Rechte der Betroffenen (Schutz gegen unbegründete Durchsuchungen und die Verfassungsgarantie der Gleichbehandlung) massiv einschränke. Diese Rechte der Bürger spielen bei Trump keine Rolle mehr. Zudem will Trump das Militär einsetzen, um Straßen- und Gangkriminalität zu bekämpfen und gegen illegale Immigration vorzugehen, nicht nur an den Grenzen, sondern überall in den USA.
Und auch rhetorisch hat Trump nochmal aufgerüstet. Erklärte er sich im Wahlkampf 2016 noch zur Stimme des US-amerikanischen Volkes, dann ließ er in diesem Jahr in Wahlkampfreden verlauten, er sei auch der Krieger des US-amerikanischen Volkes, er sei die Gerechtigkeit und die Vergeltung. Gewaltenkontrolle hört sich anders an.
Und auch die Exekutive will er stärker kontrollieren. Was da auf die USA zukommt, hat Trump bereits in seiner Exekutivanordnung „Schedule F“ skizziert, die er 13 Tage vor den letzten Präsidentschaftswahlen unterzeichnet hat. Und was beinhaltet dieses Exekutivanordnung, die vom neu gewählten Präsidenten Biden 2021 wieder zurückgenommen wurde? Der komplette Präsidentschaftsapparat und die Verwaltung der Exekutive würden klar auf den Präsidenten zugeschnitten. Wer immer dem Präsidenten nicht passt, können gefeuert werden. Damit soll der „Deep State“ bekämpft werden, den Trump zum Hauptfeind des US-amerikanischen Volkes erklärt hat. Die Grundlagen für eine solche Personalpolitik wurde in der Exekutivanordnung gelegt. Mehrere 10.000 Staatsangestellte, die maßgeblichen Einfluss auf die Politikausgestaltung haben, würden nun als „Schedule F“-Angestellte geführt und wären leicht vom Präsidenten zu entlassen. Bislang hat ein Präsident nur Einfluss auf die Führungsebenen der Ministerien und Agenturen. Ungefähr 4000 „politische“ Angestellte können so vom neuen Präsidenten besetzt werden. Nach den neuen Regularien wären es rund 50.000 Angestellte. Mit dem neuen Beschluss kann er so fast jeden ungeliebten Angestellten feuern, um so seine „America-First“ Agenda ohne Probleme umzusetzen. Staatsbedienstete in der Exekutive sollen einerseits ein gewisses institutionellen Gedächtnis herstellen, weil sie oftmals über mehrere Präsidentschaften im Amt sind. Zudem fungieren sie auch als ein kleines Element des Systems der Gewaltenkontrolle, weil sie mit ihrer fachlichen Expertise ein Gegengewicht zu den stärker politisch-ideologisch motivierten Vorschlägen eines Präsidenten bieten.
Trump und sein Team haben gelernt, sind professioneller geworden und wissen, was man mit dem höchsten politischen Amt in den USA machen kann. Das war 2016 noch nicht der Fall, weil Trump und sein Team auch gar nicht damit gerechnet hatten, die Wahlen zu gewinnen. Und so haben sie auch lange Zeit regiert: Chaotisch und unprofessionell. Das änderte sich erst nach den Zwischenwahlen 2018, als man im Job lernte. Aber jetzt steht bereits ein fester Plan und dieser Plan wird zentrale Bereich der Verwaltung restrukturieren und stärker auf die Person des Präsidenten ausrichten. Damit würde ein langer Prozess umgekehrt, der in den USA die Exekutive immer stärker von einem Präsidenten (president) in eine Präsidentschaft (presidency) umgewandelt hat. Nicht eine Person regiert, sondern ein komplexes System aus unterschiedlichen Akteuren, Institutionen und Agenturen, die zum Teil ein großes Maß an Unabhängigkeit genießen. Das passt nicht in das rechts-populistische Bild des starken Mannes, der durchregieren soll. Wenn also momentan primär der Wahlkampf im Mittelpunkt der Medien steht, man sollte nicht außer Acht lassen, welche Konsequenzen ein erneuter Wahlsieg Trumps auf die etablierten politischen Institutionen und hier insbesondere auf die Exekutive haben wird.
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